5. Auswertung: Wert schätzen

Im Anschluss an die Unterrichtsstunde, am besten direkt danach, findet die Auswertung statt. Dies ist die Arbeitsphase, in der sich zeigt, wie viel Dynamik die Anliegen-Arbeit ins Schwungrad des Lernzyklus gebracht hat. Am Ende zeigt sich in bunten Facetten vieles von dem in neuem Licht, was beim Ansatzpunkt-Finden und Anliegen-Formulieren im Gespräch war. In der Konsequenz wird die Protagonistin sehen, wie sie weitertut, zum Beispiel mit einem veränderten oder einem ganz neuen Anliegen – oder mit einer Pause.

5.1. Öffnen des Möglichkeitsraumes

Die Auswertung eröffnet den Möglichkeitsraum. Sie ist keine Nachbesprechung. Es ist eher umgekehrt: Der Unterricht ist als ein, wenn auch unverzichtbarer, Vorlauf für die eigentliche Arbeit des Auswertens zu sehen. In Wirklichkeit geht es im Lernzyklus nicht um die Unterrichtsstunde, sie wird aber als Bezugspunkt für die Auswertung gebraucht, sonst wäre dies grundlos. Diese Sichtweise hat, nebenbei, entspannende Wirkung für den Protagonisten: Sein Hauptinteresse richtet sich nicht darauf, beim Unterrichten möglichst professionell zu erscheinen, sondern auf das anschließende Auswerten mit dem Ziel eigener professioneller Weiterentwicklung.
In ähnlichem Sinn, wie das Auswertungsgespräch keine Nachbesprechung ist, sondern die Hauptsache, sind die Auswertungsangebote der Begleiterinnen (w/m/d) nur bedingt als Reflexion und Feedback zu verstehen. Die Bedingung ist, dass es nicht eigentlich um das In-den-Rückspiegel-Schauen und das Rück-Melden geht, sondern um das Vorwärts-Schauen, um ‚Pro-Flexion‘ als eine proaktive Haltung. Es steht dem Protagonisten zu, beim Entgegennehmen der Beobachtungsergebnisse bei den Besuchern nachzufragen, um deren Informationen besser verstehen und nachvollziehen zu können. Und dazu bedarf es der Rückschau auf das Beobachtete – jedenfalls soweit sie, die Reflexion, der Auswertung im Hinblick aufs Weitergehen nützt. Rückschau und ihre Mitteilung, Feedback, müssen sich in ihrem möglichen Wert für den Protagonisten zeigen, sonst sind sie wertlos und verzichtbar.

5.2. Gesprächsmoderation

Die Qualität der Auswertungsarbeit hängt in hohem Maße von einer guten Moderation des Gesprächs ab. Das impliziert eine Schwierigkeit: Alle Beteiligten sind unmittelbar ins Geschehen involviert, sie können sich unmöglich nur auf die Sachebene ihrer Beobachtungen beschränken, sie sind voll von inneren Bildern, Ideen und mit Gefühlen verbundenen Deutungen. In dieser Position ist es nicht leicht, gleichzeitig den Prozess des miteinander Sprechens zu steuern, den Protagonisten (m/w/d) mit seinem Anliegen im Mittelpunkt zu halten, die Beobachtungsaufgaben bzw. deren Ergebnisse angemessenen einzubeziehen und gleichzeitig allen förderlichen Gedanken und weitergehenden Vorstellungen offenen Raum zu geben. Und das ist die Aufgabe der Moderation. Die beste Lösung dieses Problems besteht darin, dass ein Kollege oder eine Kollegin, die nicht im Unterricht anwesend war, zum anschließenden Auswertungsgespräch hinzukommt und die Aufgabe der Moderation übernimmt. Das ist im Berufsalltag zumeist schwer zu organisieren; tatsächlich haben wir als Leiterinnen (w/m) oft diese Rolle gespielt. Realistischerweise wird meistens einer der Begleiter in der Doppelrolle als Beteiligter und Moderator agieren.

5.3. Das Auswertungsgespräch als Abschluss und als Schwunggeber im Lernzyklus

Das Auswertungsgespräch ist der Akt des Werte-Schätzens, also des Einschätzens, wie wertvoll für die Beteiligten all das ist, was getan wurde. Vordergründig bezieht es sich auf das, was im Unterricht sichtbar war und wie sich darin das Operieren mit dem Anliegen gezeigt hat. Implizit wird der Wert der gesamten Arbeit im jeweils konkreten Lernzyklus erkennbar, von der Gruppenbildung am Anfang und die gemeinsame Anliegenklärung über das Agieren der Lehrperson wie auch der Beobachter im Unterricht bis hin zu dem, was im Anschluss ‚auf den Tisch gekommen‘ ist – und was ab jetzt die professionelle Weiterentwicklung prägt.